2009-01-21

Intersubjektive Weiterentwicklung subjektiver Wahrnehmungsgestalten

Im Kapitel "Der historische Jesus und der Christus des Glaubens" seines Buches "Der christliche Glaube" führt Wolfgang Huber aus:

«Beziehungen, die wir zu Personen, Sachen oder Begebenheiten entwickeln, verschließen sich einer vollständigen Objektivierbarkeit.» Aber auch eine Entemotionalisierung unserer Wahrnehmung ist nicht geeignet, «ein vermeintlich objektives Bild zu erzeugen. Es muss uns vielmehr darum gehen, derartige affektive Komponenten so weit wie möglich bewusst zu machen.» (S. 88)

«Will man die eigenen Wahrnehmungsgestalten weiter entwickeln, so ist offenbar zweierlei erforderlich: die Beschäftigung mit dem, was uns begegnet, und die Arbeit an den eigenen Wahrnehmungsmustern. Die Vorstellung von menschlicher Wahrnehmung, zu der uns solche Überlegungen anleiten, mündet also keineswegs in einen plumpen Subjektivismus. […] Der Vergleich unterschiedlicher Wahrnehmungsgestalten führt unausweichlich zu der Frage, welche dieser Wahrnehmungsgestalten eher angemessen und welche weniger angemessen sind. […] Das Wechselspiel zwischen der selbstkritischen Prüfung der eigenen Wahrnehmungsmuster und dem achtsamen Umgang mit den Wahrnehmungsmustern anderer hilft dabei, gemeinsame Wahrnehmungen zu entwickeln und doch zugleich persönliche Akzente zu setzen.» (S. 89)

Aus: Huber, Wolfgang: Der christliche Glaube. Eine evangelische Orientierung. Gütersloh, 2008.

2009-01-17

Scheren im Kopf, Drogen im Blut

Was die Menschheit entzweiend zerschneidet und das Menschliche entwürdigend niederhält:
* jeder Versuch einer Verschmelzung von Religion und politischer Macht - als ob die Wahrheit religiöser Annahmen sich mit weltlicher Macht durchsetzen ließe oder als ob die Durchsetzung der Macht (eines) Gottes der weltlichen Macht bedürfte oder als ließe sich die Fragwürdigkeit politischer Macht durch ihre Sanktifizierung aus der Welt schaffen;
* jeder Versuch einer Verschmelzung von Religion und Logik - als ob die Wahrheit religiöser Annahmen einer Supersanktifikation durch die Grammatik des Denkens bedürfte oder als ob die objektive Ungesichertheit (eines jeden) religiösen Glaubens durch dessen Rationalisierung aufzuheben, zu kompensieren oder zu kaschieren wäre.
Gegen beide Scheren im Kopf (oder soll ich von Drogen im Blut reden?) ist Aufklärung nötig, und zwar dringend, bevor das Wetzen ihrer Klingen (bzw. der Rausch) überhand nimmt.

2009-01-06

"... nicht um Frieden zu bringen, sondern das Schwert"

Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Matthäus 10,34
▤Text im Zusammenhang

Ich brauche keine akademisch-theologische Ausbildung, um zu erkennen, wogegen sich Jesu Wort vom "Schwert" richtet:
† gegen die hedonistische Spiritualität heiligen Bimbams;
† gegen das geistige Nesthocken in vertrauten Banden, auch Familienbanden;
† gegen die Sicherheit des Klüngels, in der man sich wiegt und gefällt;
† gegen den um des lieben Friedens willen geschlossenen Frieden mit dem Angstmachenden;
† gegen eine Kompromissbereitschaft von der Art, die den Glauben kompromittiert;
† gegen das Unter-den-Teppich-Kehren von Konflikten, die um der Menschen und um Gottes willen ausgetragen werden müssen;
† gegen jeden Kuhhandel auf Kosten der Seele,
† gegen jeden Rat, der auf Selbstverrat hinausläuft;
† gegen das Heulen mit den Wölfen;
† gegen die Radfahr-Haltung, die nach oben kriechen und nach unten treten lässt;
† gegen die Gleichsetzung von praktischer Vernunft und Cleverness;
kurz:
gegen esoterische Selbstbefriedigung, gegen biedermeierliche Regression und gegen ein Sich-Arrangieren im Establishment.

Jesus war ein Provokateur, ein Herausforderer, ein Aufrüttler, kein warmgeduschtes Weich-Ei, und er mutete denen, die ihm nachfolgen, eine entsprechende Haltung zu.